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Schlagwort: EAA

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Freiheit für alle – auch im Web?

Rechtliche EU-Vorgaben für barrierefreie Websites ab 2025. Was bedeutet das für die Schweiz? Wo liegen die Unterschiede zur EU?

Am 28. Juni 2025 treten in Deutschland und der gesamten EU verbindliche Regelungen zur Barrierefreiheit digitaler Angebote in Kraft. Die zentrale gesetzliche Grundlage ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Es setzt die Vorgaben des European Accessibility Act (EAA) in nationales Recht um:

• Die Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen (auch bekannt unter WAD – Web Accessibility Directive, welche für Behördenswebsites im europäischen Raum verpflichtend ist).

• Die Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (auch bekannt unter EAA – European Accessibility Act, der ab 28.6.2025 verbindlich ist).

Die Schweiz hinkt wieder mal hinterher – doch nicht für lange.

Digitale Barrierefreiheit – warum sie für alle zählt

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Websites, Apps und digitale Dokumente so gestaltet sind, dass sie für alle Menschen zugänglich und nutzbar sind – unabhängig von körperlichen oder kognitiven Einschränkungen. Ziel ist es, allen die gleichberechtigte Teilhabe an der digitalen Welt zu ermöglichen.

Ab Mitte 2025 müssen viele Unternehmen sicherstellen, dass ihre Websites und digitalen Angebote barrierefrei sind. Die gesetzlichen Vorgaben orientieren sich an internationalen Standards und sollen die digitale Teilhabe für alle Menschen verbessern. Unternehmen, die nicht rechtzeitig reagieren, riskieren empfindliche Strafen und Reputationsschäden.

BEMERKUNG: Am 28. März 2025 hat die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) ohne Gegenstimme beschlossen, auf die Teilrevision des BehiG einzutreten. 

Die Revision führt das Konzept der «angemessenen Vorkehrungen» ein.

Dies bedeutet, dass Anbieter von Dienstleistungen verpflichtet werden, zumutbare Massnahmen zu ergreifen, um Benachteiligungen zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen.

Betroffen sind: Alle Anbieter öffentlich zugänglicher kommerzieller und kultureller Dienstleistungenund Unternehmen, die ihre Dienstleistungen im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit anbieten.

Zeitplan und Inkrafttreten
Der Bundesrat plant, das revidierte BehiG am 1. Januar 2027 in Kraft zu setzen. Bis dahin stehen noch diverse Schritte an, die nun mit dem Eintreten der WBK-N begonnen haben.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie voraussichtlich etwa eineinhalb Jahre Zeit haben werden, sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.

Wer ist betroffen?

  • Unternehmen, die digitale Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher anbieten, darunter Websites, Online-Shops, Apps, Banken, Telekommunikationsdienste, Ticketbuchungen, E-Books und Video-on-Demand-Plattformen.
  • Ausgenommen sind Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro – allerdings nur im Bereich digitaler Dienstleistungen, nicht bei digitalen Produkten.
  • Öffentliche Einrichtungen sind bereits seit 2020 zur Barrierefreiheit verpflichtet.

Was sind die Anforderungen?

  • Websites und Apps müssen so gestaltet sein, dass sie für alle Menschen zugänglich sind, insbesondere für Menschen mit Seh-, Hör-, motorischen oder kognitiven Einschränkungen.
  • Die technischen Standards orientieren sich an den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), mindestens in der Version 2.1, Konformitätsstufen A und AA.
  • Die europäische Norm EN 301 549 ist ebenfalls massgeblich und konkretisiert die Anforderungen an digitale Barrierefreiheit.

Konkret bedeutet das:

  • Inhalte müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein (WCAG-Prinzipien). 
  • Beispiele: Alternativtexte für Bilder, ausreichende Kontraste, vollständige Tastaturbedienbarkeit, Untertitel für Videos, klare Navigation und einfache Sprache.
  • Auch mobile Anwendungen sind einbezogen.

Fristen und Übergangsregelungen

  • Ab dem 28. Juni 2025 gilt die Pflicht für neue Inhalte und Angebote.
  • Für bereits bestehende Inhalte gibt es eine Übergangsfrist bis Mitte 2030, um diese anzupassen.
  • Unternehmen sollten ausreichend Zeit für die Umsetzung einplanen, da die Anpassung umfangreicher Websites mehrere Monate dauern kann.

Kontrolle und Sanktionen in der EU

  • Die Einhaltung wird von Marktüberwachungsbehörden kontrolliert.
  • Bei Verstössen drohen Bussgelder von bis zu 100.000 Euro, die vorübergehende Einstellung des Geschäftsbetriebs oder Abmahnungen.

Was bedeutet das für Unternehmen in der Schweiz?

In der Schweiz ist der eCH-0059 Accessibility Standard verbindlich, der auf den international anerkannten WCAG 2.1 basiert.

Auch Schweizer Unternehmen, die in der EU tätig sind, müssen sich an diese Regeln halten. Kleine Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden sind teilweise ausgenommen, doch für viele Firmen heisst es: 

Jetzt handeln, um den Anforderungen gerecht zu werden.

1. Prüfen: Sind Sie betroffen?

Nicht jedes Unternehmen ist verpflichtet, die Anforderungen zu erfüllen. Wir empfehlen Ihnen, dies in Rücksprache mit Ihrem Anwalt zu klären, um Rechtssicherheit zu gewinnen.

2. Selbsttest: Ist Ihre Website barrierefrei?

Grundsätzlich sind die meisten eingesetzten Technologien wie Web-CMS, Newsletter-Tools und und Social Media schon sehr weit. Vor allem die amerikanischen Open Source-Systeme sind bereits konsequent auf Barrierefreiheit getrimmt. Bei der Konzeption und Gestaltung sind Buttons für Hilfe, leichte Sprache sowie Typoskalierung zu berücksichtigen. Problem der konsequenten Umsetzung liegt aber danach vor allem beim Unterhalt der Website durch die Webverantwortlichen. So sind zum Beispiel ab Sommer 2025 ALT-Texte und inhaltliche Beschriebe bei Bildern zwingend zu ergänzen. PDF und Word-Dokumente sind grosse Herausforderungen, deshalb wenn immer möglich HTML-Seiten erzeugen.

3rd-Party-Produkte wie digitale Web-Kataloge auf PDF-Basis und IFrames sind meist eher schwierig und können zu Browser-Crash führen.

Ein erster Selbsttest nach WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) oder der BITV (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung, für öffentliche Einrichtungen relevant) zeigt Ihnen, ob Handlungsbedarf besteht. 

https://www.barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de/Webs/PB/DE/gesetze-und-richtlinien/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz-node.html

3. Umsetzung: Massnahmen ableiten und anpassen

Wenn Ihr Selbsttest Barrieren aufzeigt, sind gezielte Verbesserungen wichtig. Deshalb haben wir uns frühzeitig informiert und entsprechende Tools und Massnahmen definiert, um die Voraussetzungen für eine möglichst automatisierte Pflege der Webtools bei der Erstellung und im laufenden Betrieb zu gewährleisten. Wir helfen Ihnen dabei, die nötigen Anpassungen umzusetzen und Ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten – abgestimmt auf Ihre individuellen Anforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen. 

4.    Barrierefreiheitserklärung erstellen

Falls Ihr Unternehmen unter die BFSG-Pflicht fällt, müssen Sie eine Barrierefreiheitserklärung verfassen und auf Ihrer Website bereitstellen. Diese informiert Besucher über den Stand der Barrierefreiheit und die Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme bei Problemen. Auch hier sollten Sie Rücksprache mit Ihrem Rechtsbeistand halten.

Wir freuen uns darauf, Sie bei diesem wichtigen Thema zu unterstützen!

Glossar

Hier die wichtigsten Facts und Erklärungen dazu:

Diese Einschränkungen werden mit der digitalen Barrierefreiheit berücksichtigt:

  • Sehbehinderungen: durch Screenreader-optimierte Inhalte und Alternativtexte für Bilder
  • Hörbehinderungen: durch Untertitel und Transkriptionen für Videos und Audios
  • Motorische Einschränkungen: durch eine vollständige Tastaturbedienbarkeit
  • Kognitive Einschränkungen: durch einfache Sprache und klare Navigation
  • Farbenblindheit: durch kontrastreiche Gestaltung und informationsunabhängige Farbgebung

Die vier Prinzipien der WCAG 2.1

Standards des WCAG 2.1

  • Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen für alle Sinneskanäle zugänglich sein (Content mit Kontrast, Schriftgrösse, etc.)
  • Bedienbarkeit: Alle Funktionen sollten ohne Maus nutzbar sein
  • Verständlichkeit: Navigation und Inhalte müssen klar strukturiert sein
  • Robustheit: Inhalte sollen mit verschiedensten Endgeräten und Hilfsmitteln funktionieren (HTML5 und Screenreader)

Erweiterte Standards:

  1. AA+ Standard: erfordert zusätzlich barrierefreie Officedokumente und PDFs im Downloadbereich
  2. AAA Standard: erfordert folgende Massnahmen• Videos haben Transkriptionen, Gebärdensprache und Untertitel• Artikel in leichter Sprache geprüfte Übersetzer*innen• Funktionen wie «Seite vorlesen lassen» «Schriftgrösse anpassen»• Validierung zB durch Acess4all

Barrierefreiheit als Erfolgsfaktor

  • Bessere SEO – Suchmaschinen belohnen gut strukturierte, zugängliche Webseiten mit besseren Rankings.
  • Höhere Conversion-Rate – Eine einfach nutzbare Website führt zu mehr Anfragen, Käufen oder Abschlüssen.
  • Positive Markenwahrnehmung – Barrierefreiheit zeigt soziale Verantwortung und stärkt Ihr Image.

Fazit

Barrierefreiheit ist erweiterte Suchmaschinen-Optimierung (saubere Navi, Bilder mit Alternativtext etc.), da Suchmaschinen grundsätzlich blind sind und diese bevorzugen, bez. die anderen mittelfristig ignorieren.

Wenn Ihr Selbsttest Barrieren aufzeigt, sind gezielte Verbesserungen wichtig. Wir helfen Ihnen dabei, die nötigen Anpassungen umzusetzen und Ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten – abgestimmt auf Ihre individuellen Anforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

Unterlagen:

www.adis.ch

https://github.com/ukhomeoffice/posters/blob/master/accessibility/dos-donts/posters_en-UK/accessibility-posters-set.pdf

rechtliche Basis aufgrund des BehiG: 
https://www.ech.ch/de/ech/ech-0059/3.0

Präsentation der INIT – Services for the eSociety

Welche Unterschiede gibt es zwischen den Barrierefreiheitsvorgaben in der EU und der Schweiz

Gesetzliche Verpflichtung

EU: Ab dem 28. Juni 2025 gilt der European Accessibility Act (EAA) verbindlich für eine breite Palette privater und öffentlicher Unternehmen. Websites, Apps, E-Commerce, Finanzdienstleister, Banken, Versicherungen, Telekommunikation und viele weitere Branchen müssen digitale Barrierefreiheit gewährleisten. Die Vorgaben sind gesetzlich verpflichtend und werden durch nationale Gesetze wie das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt. Bei Verstössen drohen empfindliche Bussgelder von bis zu 100.000 Euro.

Schweiz: Es gibt bislang keine generelle gesetzliche Pflicht für private Unternehmen, ihre Websites oder digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Die Schweiz setzt eher auf Eigenverantwortung und freiwillige Anpassungen. Öffentliche Stellen sind jedoch bereits zu Barrierefreiheit verpflichtet. Für Unternehmen, die ausschließlich in der Schweiz tätig sind und keine Dienstleistungen für den EU-Markt anbieten, besteht keine gesetzliche Pflicht.

Anwendungsbereich

EU: Die Vorgaben gelten für nahezu alle digitalen Produkte und Dienstleistungen, die Verbrauchern angeboten werden, inklusive Onlineshops, Banking, Ticketbuchung, E-Books, audiovisuelle Medien und mehr. Auch Schweizer Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen in der EU anbieten, müssen die EU-Vorgaben erfüllen.

Schweiz: Schweizer Unternehmen sind nur dann verpflichtet, die EU-Vorgaben umzusetzen, wenn sie im EU-Markt aktiv sind. Für den rein schweizerischen Markt gibt es keine vergleichbar umfassende Regelung.

Technische Standards

EU: Die technischen Anforderungen orientieren sich an den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 (Level A und AA) sowie an der europäischen Norm EN 301 549. Die Vorgaben sind detailliert und umfassend.

Schweiz: Es existiert der eCH-0059 Accessibility Standard, der sich ebenfalls stark an den WCAG 2.1 orientiert. Die Anforderungen sind aber weniger streng und nicht flächendeckend gesetzlich vorgeschrieben.

Prüfung und Durchsetzung

EU: Es gibt klare Prüf- und Kontrollmechanismen mit regelmässigen Audits und Sanktionen bei Verstössen. Die Einhaltung wird von Marktüberwachungsbehörden kontrolliert, und es drohen Bussgelder.

Schweiz: Die Durchsetzung ist weniger streng. Es gibt keine regelmässigen Audits oder vergleichbare Sanktionsmechanismen für private Unternehmen, die nur in der Schweiz tätig sind.

Übergangsfristen

EU: Für bestehende Angebote, die vor dem 28. Juni 2025 bereits auf dem Markt waren, gilt eine Übergangsfrist bis zum 27. Juni 2030. Neue Angebote müssen ab Juni 2025 sofort barrierefrei sein.

Schweiz: Es gibt keine vergleichbaren, gesetzlich festgelegten Fristen für die Umsetzung von Barrierefreiheit im privaten Sektor.

Zusammenfassung tabellarisch

AspektEU (ab 2025)Schweiz (Stand 2025)
Gesetzliche PflichtJa, umfassend für viele UnternehmenNein, meist freiwillig (ausser öffentlicher Sektor)
AnwendungsbereichPrivat & öffentlich, inkl. Schweizer Firmen mit EU-GeschäftNur für öffentliche Stellen, sonst freiwillig
Technische StandardsWCAG 2.1, EN 301 549eCH-0059 (an WCAG 2.1 angelehnt)
Kontrolle / SanktionenAudits, Bussgelder bis 100.000 €Kaum Kontrolle, keine Bussgelder
ÜbergangsfristenBis 2030 für bestehende AngeboteKeine gesetzlichen Fristen

Fazit

Die EU verfolgt einen deutlich strengeren und verbindlichen Ansatz zur digitalen Barrierefreiheit als die Schweiz. Schweizer Unternehmen, die im EU-Markt tätig sind, müssen die EU-Vorgaben zwingend einhalten. Für den rein schweizerischen Markt bleibt Barrierefreiheit im Privatsektor bislang weitgehend freiwillig, der Trend geht jedoch auch dort in Richtung mehr Inklusion.

Quellen

  1. https://webwirkung.ch/blog/eu-accessibility-act-was-das-europaeische-barrierefreiheitsgesetz-fuer-schweizer-online-shops-bedeutet/
  2. https://marketing.ch/digital-marketing/hans-henning-raven-zeigt-warum-digitale-barrierefreiheit-auch-fuer-schweizer-unternehmen-relevant-ist/
  3. https://www.adnovum.com/de/blog/european-accessibility-act
  4. https://sbv-fsa.ch/news/barrierefreiheit-wird-pflicht-fuer-schweizer-unternehmen/
  5. https://www.netzwoche.ch/news/2024-05-16/accessibility-gesetz-der-eu-betrifft-auch-schweizer-unternehmen
  6. https://jrkm.ch/knowhow/54-barrierefrei-und-das-neue-eu-barrierefreiheitsgesetz-bsfg.html
  7. https://www.snowflake.ch/blog/post/european-accessibility-act-das-muessen-sie-wissen
  8. https://vorarlberg.at/-/beziehungen-zwischen-der-eu-und-der-schweiz